Als hochsensible Personen haben wir manchmal viel zu verarbeiten. Eindrücke, Emotionen und viele Veränderungen in einer schnelllebigen Welt. Jede Neuerung und Entscheidung braucht mehr Zeit und wird länger und facettenreicher durchdacht. Routinen wirken da wirklich entstressend und sind darum Gold wert. Ich bleibe mir und meinen Strukturen meist treu. So halte ich es auch mit den Dingen des Alltags: ich habe beim Einkaufen meine festen Anlaufstellen, ich gehe gern zum gleichen Buchhändler, Bäcker und eben auch zum Friseur.
Meine Friseurin ist schwanger geworden.
Seit Jahren ging ich in den gleichen Laden, immer zur selben Frau. Ich brauchte dringend einen Termin, meine Matte sah furchtbar aus. Da ich in einem Stadtteil wohne, der mit vielen Friseuren gesegnet ist, fiel die Auswahl vergleichsweise schwer. Dieses doch sehr oberflächlich erscheinende Problem, wurde für mich zur Herausforderung, weil ich nun Ressourcen – ungeplanterweise - investieren musste, um einen neuen Friseur zu finden.
Der Laden sollte möglichst nicht zu laut, zu grell, zu voll, preislich erschwinglich und möglichst nicht mit Smalltalk – tratschenden Mitarbeitern, ausgestattet sein. Weniges ist anstrengender für mich, als ein Wildfremder, der mich berührt und ich dann zu Smalltalk gezwungen bin. Allein die Vorstellung genügte, um mich in Aufregung zu versetzen.
Also startete ich einen Aufruf auf einem Nachbarschaftsportal, um Empfehlungen für einen Salon zu bekommen. Da bekam ich viele (nett gemeinte) aber doch nichtssagende Antworten. Die Wahl eines Haarbändigers ist eben doch sehr individuell – so wie die Menschen. Blieb also nur ausprobieren: ich ging frohen Mutes in einen Salon in der Nähe. Schon beim Betreten des Ladens plärrte mich das Radio an, es gab sehr grelles Neonlicht, der Friseur der mich bediente, war freundlich, aber nicht besonders einfühlsam. Es war sehr unangenehm, denn einfach weg konnte ich nicht. Schon gar nicht mit der vielen Strähnchen-Alufolie auf meinem Kopf…
Der Friseur hat zwar fachlich gute Arbeit geleistet, ich fühlte mich aber nicht wie ich selbst, und war unangenehm aufgepusht, als ich nach zwei Stunden und um einige Euros ärmer, erleichtert der Eindruckshölle entkam.
Unzufrieden erzählte ich einige Tage später einem guten Freund davon. Der erzählte mir von seinem Friseur, der viel ruhiger und angenehmer sei und zu dem er seit einigen Jahren ging. Er nannte mir den Namen und Standort.
Das merkte ich mir. Als ich nach einigen Wochen eine respektable Haarlänger vorzuweisen hatte, und ein herrlicher Ansatz meine Haarpracht zierte, holte ich mir spontan einen Termin bei Marcus von Quantum Hair Mechanics in der Neustadt.
Schon beim Ankommen im Laden, bemerkte ich, die sehr ruhige Atmosphäre. Ein sehr entspannter Ladeninhaber wies mir sehr freundlich einladend und dennoch schlicht den Platz zu. Der Laden beeindruckt durch ein unaufgeregtes und dennoch einladendes und ansprechendes Design. Alles ist in schwarz/weiß gehalten. An den Wänden finden sich Handlettering-Art Zitate zum Thema „Haare“. Das finde ich persönlich ästhetisch sehr ansprechend.
Eine chillige unaufdringliche Hintergrundmusik beruhigte mein aufgeregtes Gemüt. Kein grelles Licht, keine überladene Atmosphäre = nicht zu viele Eindrücke zu verarbeiten. Marcus war sehr freundlich und prüfte erst einmal meine Kopfhaut nach Auffälligkeiten und begann zu erfragen, was ich denn wolle. Ich sagte eigentlich gar nicht viel. Er erspürte intuitiv was ich wollte und formulierte es für mich auf den Punkt. Es dauerte nicht lange, da begannen wir ein tiefgehendes Gespräch. Schnell stellte sich ein angenehmer Gesprächsfluss ein und durch Erzählungen der Lebensgeschichten und der Entstehung seines Ladenkonzeptes kamen wir auf das Thema Hochsensibilität. Ich entspannte mich und lauschte seinen Erzählungen zu seinem Ladenkonzept und wie er zur Selbstständigkeit gekommen war. Er erzählte sehr persönlich, sehr echt und ich spürte, wieviel Liebe zum Detail, ganzheitliche Überlegungen und wieviel „Wert“ in seinem Laden steckt.
Nachhaltigkeit und Innovation liegen ihm am Herzen. Er arbeitet mit natürlichen und plastikarmen Produkten und zeigt dabei eine große Transparenz. Sein Konzept reduziert sich nicht allein aufs Geld verdienen und „Haare machen“ sondern ihm ist der persönliche Einzelkontakt mit dem Kunden in 1:1 Situationen super wichtig. Daher arbeitet Marcus ausschließlich „auf Termin“.
Dadurch entsteht ein exklusives Ambiente. Es ist alles reizarm und sehr ruhig und Marcus ist wirklich so ganz im Kontakt und das aus voller Überzeugung.
Er arbeitet sehr intuitiv, einfühlsam und genau bis ins kleinste Detail. Mit Herz und Hand aus voller Überzeugung ganzheitlich – das durfte ich spüren. Als Mensch ist er sehr authentisch - ohne Schnick Schnack. Die Preise berechnet er nach Arbeitsaufwand und Material. Sehr transparent und fair. Unser Gespräch verlief sehr intensiv und mit viel Substanz. Die Zeit verging total schnell.
Als er erzählte, wie er aus dem bestehende System einer Friseurkette ausstieg, weil er anders arbeiten wollte: mit wirklich nachhaltigen Produkten im echten Kontakt mit Menschen und ohne enge Zeit Taktung, da spürte ich deutlich unsere Schnittstelle.
Die Krönung war der Satz: „ Ich drücke keinem meine Meinung auf. Für mich ist der Einzelkontakt mit dem Kunden was besonderes. Ich kriege mit wo und ob Beratung gewünscht ist und gebe sie da, wo sie auch angenommen werden kann. Es ist ein Prozess.“ Das hat mich das sehr berührt, weil ich das genauso von meiner Arbeit sagen kann.
Was für ein Geschenk es ist, mit Menschen in Kontakt zu treten, die auch ganz anders ihren Beitrag leisten möchten, ein Bewusstsein für die kleinen Veränderungen im Großen und Ganzen haben. Und wie schön immer wieder auch solchen Menschen durch Resonanz begegnen zu dürfen. Ich kann wieder einen Teil in meinem Leben so haben, wie es an meine Bedürfnisse nach Ausgeglichenheit, nicht zu vielen Reizen, Sinn und Tiefe heranreicht.
Und so wird, oberflächlich betrachtet, ein profaner Friseurbesuch zu einer kleinen Kraftquelle im Alltag. Denn ich durfte ganz entspannt mit neuer Frise und auf so vielen Ebenen rundum versorgt, den Laden von Marcus verlassen…
und das war sicher nicht mein letzter Besuch. 😊
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