Glücksexperten trotz Angst

Mich beschäftigt heute das Tragen der Mund-Nasen-Schutzmasken in unserem Alltag. Ich denke darüber nach, ob uns das fehlende Lesen der Gesichter und der angesagte Abstand aus Anstand uns verändern wird und wie diese Veränderungen aussehen. Wird die Nähe und der Kontakt vermisst? Wird es uns bewusst, wie wichtig der Kontakt mit dem Einzelnen ist? Oder führt der Abstand über lange Zeit uns dazu, dass der Abstand sich als Normalzustand einschleicht? Was macht die Distanz und der mangelnde Kontakt mit unseren Kindern?

 

Zumindest auf die letzte Frage, habe ich heute die Variante einer Antwort für mich erleben dürfen.

 

Heute hatte meine achtjährige Tochter von ihrer besten Freundin Besuch. Die beiden kennen sich seit Babytagen und auch unser Wegzug aus der alten Nachbarschaft hat der Freundschaft – auch wenn sie sich weniger sehen- keinen Abbruch getan. Jedes Wiedersehen ist so natürlich vertraut, als sei es gestern das letzte Mal gewesen. Die beiden begrüßen sich auch heute mit einem tiefen Selbstverständnis und legen sofort los mit der Spielverabredung. Heute ist es warm -  achtundzwanzig Grad zeigt das Thermometer in Bremen. Die Mädchen wollen auf unserer Dachterrasse und in der Klappbadewanne baden, die für eine erwachsene Person ausgelegt ist. Das Wasser ist schon eingelassen und die beiden beschließen, sich abwechselnd abzukühlen. Die Zeit wird gestoppt – es soll gerecht zu gehen. Die Mädchen haben sich wie üblich eigenständig organisiert und so lasse ich die beiden planschen und bleibe in Hörweite. Ich nehme Notiz davon, dass das Spiel weniger unbeschwert ist, als ich es von "vor Corona" kenne. Die beiden kennen das Abstand halten schon aus der Schule, das seit dieser Woche (zum Glück für die Kinder) wieder aufgehoben worden ist. Ich gehe die Wäsche abnehmen und lausche in Richtung der Kids. Nach einer Weile höre ich vergnügte Rufe „Biiiiiiaaaaanca, kommst du mal?“, schallt es im Chor der hohen, kichernden Mädchenstimmen. Ich gehe betont langsam zu den beiden, sie kichern. Erstmal sehe ich in der Hinbewegung zur Terasse kein Kind. Da wird mir klar, sie müssen gemeinsam in dem Gummibehälter hocken. Die Kinder haben den biegsamen Popup-Deckel der Klappwanne über sich gestülpt, die Seitenwände beulen sich aus. Es ist eine Freude die beiden verhalten und vorfreudig Kichern zu hören. Ich sage gespielt erntsetzt: „Seid ihr etwa beide da drinnen?“ „Jaaaaaaaaaaaaaa“ ertönt die freudige Antwort, "Zusammen macht alles richtig viel mehr Spaß!“ Ich spüre tief in mir, wie Recht die Kinder mit dieser einfachen Antwort haben.

 

Die Wände dellen sich aus, die Mädels enden in einem Lachflash. Der Reißverschluss der Abdeckung geht ein Stück auf und zwei rotwangige, quietschvergnügte  und tropfende Gesichter schauen mir entgegen. Ein breites Grinsen auf den Lippen, das Glück sprüht aus den Funkelaugen. Die tiefe Freude am Moment berührt mich und steckt mich an.

"Zusammen macht alles viel mehr Spaß!" - diese schlichte Wahrheit und das kleine alltägliche Glück schließe ich in meinem Herzen ein. Mir ist bewusst, dass meine Tochter lange nicht so herzlich und frei lachen konnte. Und bemerke, dass es auch mir gefehlt hat: das freie, helle Kinderlachen und die Freude am Augenblick. Auch bei jeglichem Engagement elternseits in Zeiten des Abstands, kann das kein Erwachsener einem Kind geben,  weil Kinder zu Kindern gehören…

 

 

Das lässt mich darauf vertrauen, dass Kinder im Spiel den Abstand vergessen. Kinder sind für mich wahre Glücksexperten – trotz Angst und ohne Abstand!